Auf Schilys Spuren befindet sich der Innenminister von Schleswig-Holstein. Und greift einmal mehr zu Polemik, weil die Argumente fehlen.
Die Form, in der Innenminister auf Kritik seitens der Datenschützer reagieren, lässt immer mehr eine sachliche Bewertung außer Acht und beschränkt sich darauf, der Polizei und der Strafverfolgung bzw. der Sicherheit im Allgemeinen einen absoluten Vorrang einzuräumen. Datenschutz wird somit als Behinderung der Strafverfolgung gleichgesetzt, an einer Ausbalancierung besteht kein Interesse. Der Maxime "Deutschland soll sicher und frei werden" folgt man insofern, als dass kein Zweifel daran besteht, welche Eigenschaft hier überwiegt. Auch wenn diese Sicherheit stets nur eine Scheinsicherheit darstellen kann.
Und das betrifft nicht nur Schleswig-Holstein, das ist im ganzen Bundesgebiet zu spüren - und in den idiotischen Antritten auf europäischer Ebene. Es geht nicht darum, das dem einzelnen Polizisten unterstellt wird, das er ein Mistkerl sei der nur darauf aus ist seine Mitmenschen auszuspionieren. Es hat nichts damit zu tun, das der Polizei unterstellt würde, das sie nicht verantwortungsvoll mit ihren Mitteln umgeht.
Es geht darum, das der Staat dem Bürger gegenüber eine Machtstellung hat, die aus ganz bewussten Gründen kontrolliert und beschränkt wird - und die Gesetzesinitiativen im Rahmen der Ausweitungen der polizeilichen Gewalt heben diese Kontrolle und Beschränkung auf. Die Polizei ist eben nicht irgendein Dienstleister - sie ist der ausführende Arm der Exekutive - einer der drei Mächte in unserem System. Wir haben schon eine viel zu starke Verbindung von Legislative und Exekutive - jedesmal, wenn sich die Regierung anmaßt die Gesetzgebende Kraft zu sein, wird mir übel. Der Bundestag ist die Legislative, nicht alleine die Regierung (nicht mal alleine die Regierungskoalition).
Die Kontrolle der Möglichkeiten der Mächte und die Beschränkung ihre Macht ist nun mal ein ganz wesentlicher Aspekt eines gesunden Staates. Ein Staat, bei dem die Exekutive zu viel Macht erhält, entfernt sich von dieser Ideallinie, entwickelt sich früher oder später hin zum Poliezeistaat, zum Überwachungsstaat. Es geht nicht einfach nur um banale Behauptungen wie "Datenschutz = Täterschutz" - das ist lächerlich und polemisierend. Es geht um die Rechte des einzelnen Bürgers, um die Möglichkeit der eigenen Lebensgestaltung ohne das ein grosser Bruder ständig über die Schulter guckt. Aber genau das wird in der letzten Zeit immer mehr gemacht - die Installation des großen Bruders.
Datenschützer und Mahner sind nicht einfach bloss weltfremde Spinner, die das Problem nicht sehen wollen - sie sind einfach nur diejenigen, die heute schon sehen was morgen auf uns zukommen wird. Und es ist erschreckend, das wir nur noch recht unzureichend durch das oberste Verfassungsgericht geschützt werden - unzureichend deshalb, weil selbst deren Entscheidungen von Politikern angefeindet und ignoriert werden.
Die Mahnung vor dem übermächtigen Staat ist keine Paranoia, das ist Realismus. Wir hatten den übermächtigen Staat schon häufiger - und eine Inkarnation davon haben wir vor noch garnicht so langer Zeit einfusioniert. Funktioniert hat keiner dieser übermächtigen Staaten wirklich, alle sind zusammengebrochen. Nur mussten die Menschen in diesen Staaten darunter leiden.
Tobi Jan. 13, 2006, 8:24 p.m.
Gut gesagt. Leider geht das wohl den meisten Deutschen am Arsch vorbei...
Jutta Wrage Jan. 14, 2006, 6:47 p.m.
@Tobi: Ja, leider. Und mehr und mehr beginnt man zu begreifen, wie das alles zwischen 33 und 45 möglich war. Auch heute noch gilt: Wehret den Anfängen! Freiheit und Demokratie zeigen sich daran, wie man in Krisenzeiten mit den Rechten der Menschen umgeht. Man kann die Menschen nicht schützen, indem man die Menschenrechte mit Füßen tritt.