Umfrage: Finanzlage der Krankenkassen wieder schlechter - wir werden alle fleissig verarscht. Von Politikern die versprechen die Beitragssätze zu senken und natürlich nicht können. Von Kassen die eigentlich unsere Interessen vertreten aber natürlich nicht tun. Von Ärzten die Kooperation bei der Kostensenkung versprechen, aber natürlich nicht auf ihre Einnahmen verzichten wollen (*). Von Apothekern, die als Vertrauensstelle für den Patienten dienen sollen, aber das Vertrauen schon längst verspielt haben.
Natürlich, die Beitragssenkung für die Arbeitgeber - dafür ist dann immer Geld da. Nur die Patienten, die dürfen das alles wieder bezahlen. Kassen, Ärzte und Apotheker hingegen sitzen auf ihren Besitzständen und weigern sich weiter auch nur minimal zu einer Senkung beizutragen die auch ihre Einnahmen betreffen würden.
Kassen machen dann tolle Sachen wie Hausarztmodell und Hausapothekenmodell - bringt nur nix, wenn die Ärzte sich dann einfach weigern dabei mitzumachen (passiert hier in Münster durchaus). Korrekte Abrechnung der Praxisgebühr erlebt man auch nur selten - wenn einfach nur ein Rezept abgeholt wird, ohne das der Arzt auch nur ein Fitzelchen an Leistung erbracht hat (ausser seiner Unterschrift), wenn das Medikament schon seit Jahren genommen wird - egal, die Praxisgebühr nimmt man noch mal schnell mit.
Qualitätskontrolle der Ärzte? Fehlanzeige - da weigert man sich, das wäre ja zu viel Einfluss für den Patienten. So verstecken sie sich weiter hinter der angeblich freien Arztwahl - die aber schon lange durch Abwanderung von Fachärzten aus den Kassenärztlichen Vereinigungen nur noch lächerlich ist. Bei mancher Fachrichtung hat man als Kassenpatient nur noch im Krankenhaus eine Chance einen wirklich qualifizierten Arzt zu treffen - ausserhalb findet man nur Quacksalber ...
Gleichzeitig reden aber immer mehr Politiker und Funktionäre der diversen Verbände davon, das Patienten mehr Eigenverantwortung übernehmen sollen und mehr von den Kosten tragen müssen. Natürlich, bei der Beratung sollen wir den Ärzten vertrauen. Bei der Wahl des Medikamentenherstellers sollen wir den Apothekern vertrauen. Bei der Abrechnung sollen wir den Kassen vertrauen. Wie bitte sollen wir in einer solchen Situation die auf Vertrauen ohne Kontrolle aufbaut mehr Eigenverantwortung übernehmen? Was soll Eigenverantwortung in dem Kontext überhaupt heissen - es geht doch garnicht um Verantwortung, es geht doch allein um Kostenabwälzung. Und Risikoabwälzung: Was, Ihre Beschwerden haben sich verschlimmert, weil Sie wegen der Kosten zu früh die Behandlung abgebrochen haben? Selber Schuld, warum machen Sie auch sowas. Wenn verlangt wird, das der Patient mehr Eigenverantwortung übernimmt, dann müssen ihm auch Mittel an die Hand gegeben werden mit denen er diese Eigenverantwortung in Form von Einflussmöglichkeiten und Kontrollen auch umsetzen kann. Ansonsten sind das nur hohle Phrasen.
Ärzte bekommen von der Pharmaindustrie Vorzugsbehandlung und verschreiben dann brav deren Ergebnisse - ist ja so schön praktisch und komfortabel und man hat was davon. Die Kassen sitzen da und beschäftigen sich mehr mit ihrem Wasserkopf und ihrer eigenen Absicherung als damit den Ärzten auf die Finger zu gucken und dafür zu sorgen das eben genau diese Verbandelung zur Pharmaindustrie nicht so überhand nimmt. Die Apotheker kämpfen um den Erhalt ihrer Privilegien und gehen gegen jede alternative Form der Medikamentenversorgung an und argumentieren mit ihrer Beratungsleistung - die aber defakto oft schon garnicht mehr existiert, wenn in einer Apotheke nur ein oder zwei ausgebildete Apotheker arbeiten, der Rest bestenfalls bessere Drogeristen sind ... (und der Hauptumsatz in Apotheken mit Pflegemitteln, Gummibärchen und irgendwelchem obskurem Quatsch gemacht wird - hey, wieso sollte man Leuten vertrauen, die homöopathischen Murks anbieten und "beraten"?)
Und die Pharmaindustrie? Die sind der Lachende Fünfte im Hintergrund. Ordentliche Gewinnmargen, trotzdem natürlich Arbeitsplätze abbauen, denn die Margen müssen ja noch steigen. Im Prinzip Monopolstellungen durch absurde Patentpolitik (ich erinnere an das Stickstoff-Patent von Linde - das zum Glück gekippt ist) und eine mitlerweile völlig undurchsichtige Zulassungsbürokratie. Klar, Medikamente müssen geprüft werden vor Zulassung - aber was die derzeitigen Prüfungen wirklich bringen, hat man ja in diversen Fällen in letzter Zeit (Lipobay, Vioxx und ander COX-2 Hemmer - nur um zwei Fälle zu nennen) gesehen.
Was gebraucht würde wäre eine wesentlich radikalere Umstrukturierung des Gesundheitssystems, eine Umstrukturierung die darauf ausgelegt ist das der Patient tatsächlich auch Eigenverantwortung übernehmen kann, weil ihm die Informationen gegeben werden die er dafür benötigt und weil ihm Beratungseinrichtungen gegeben werden, die ihn dabei unterstützen.
Trennung der Abrechnungssystematik und der Kontrollfunktion bei den Kassen - die Kontrollfunktion wird von denen eh nicht ausreichend ausgeübt, die gehört in eigene unabhängige Institutionen die über Pflichtabgaben der am Gesundheitssystem beteiligten (Ärzte, Apotheker, Pharmaindustrie und Anteilig Krankenkassenbeiträge) finanziert werden.
Die Abrechnungsvorgänge sollten über unabhängige Buchstellen für Patienten und Ärzte erledigt werden, die sich nur über ihre Abrechnungsdienstleistungen finanzieren sollten - sowas ist in der Wirtschaft schon gängig, dort werden Abrechnungsleistungen ausgegliedert in eigene Unternehmungen die dann durch Anteile an der Kostenersparnis der Beteiligten finanziert werden.
Mehr Transparenz bei der Pharmaindustrie - Forschungsergebnisse müssen zwangsweise freigegeben werden, wenn ein Unternehmen Medikamente zugelassen bekommen will. Viele Forschungseinrichtungen sind sowieso teilweise vom Staat mitfinanziert oder durch Universitätsnähe vom Bundesland. Eine transparente Prüfungsrichtlinie für Medikamente muss her - eine die Wissenschaftler und Mediziner durchschauen können und in der diese Leute eingebunden sind, so das Probleme frühzeitiger erkannt werden können - und nicht vom Unternehmen verheimlicht werden können (wie bei Vioxx der Fall war).
Gleichzeitig muss eine effektive Kostenkontrolle für Medikamente her - die Begründungen mit den Forschungskosten reicht da nicht, das ganze muss nachvollziehbar sein. Addiert man mal die angeblichen Forschungskosten der Pharmaindustrie aus verschiedenen Medikamenten zusammen, kommt man irgendwann an den Punkt wo das Bruttosozialprodukt alleine in den Forschungseinrichtungen der Pharmaindustrie erwirtschaftet wird. Hier muss es eine wesentlich grössere Transparenz her, damit Preiswucher bei Medikamenten wirksam verhindert werden kann.
Und die Apotheker? Sorry, aber die müssen sich einfach überlegen wie und welchen Platz sie überhaupt noch haben. Dazu würde gehören das sie ihre Beratungsleistung wieder ernst nehmen und sich darauf konzentrieren was Ihre Aufgabe wäre: die Anwendungsberatung von Medikamenten und die Beratung des Einsatzes von Rezeptfreien Medikamenten. Das kann aber eine Fachverkäuferin mit einer Drogeristenausbildung nicht leisten. Die eigene Existenz mit einem Verkaufsmonopol für Medikamente zu begründen ist jedenfalls nicht genug. Und den Beipackzettel vorlesen reicht auch nicht.
(*) Hier sind natürlich die Ärzte in Krankenhäusern ausgenommen - deren Job ist dafür dann so ziemlich das letzte in der Gesundheitsbranche und von menschenwürdigen Arbeitszeiten kann bei denen nicht geredet werden.