Erstaunlich - in all der Lobhudelei gibt es gerade mal diesen kleinen Absatz zu dem nicht ganz unproblematischen Thema Harrer und Nationalsozialismus:
Harrers Vergangenheit in der Zeit der Nazi-Diktatur wurde Ende der neunziger Jahre ein Thema. Nach Medienberichten musste er eingestehen, dass er Mitglied der NSDAP und der SS gewesen war. Dies bewertete er im Nachhinein als Irrtum. Im Jahr 2002 erschien seine Autobiografie "Mein Leben".
Ansonsten nur Lobhudelei und Hochjubeln. Was ist denn auch schon die Tatsache, das er in der SS war (in die man ja nun wirklich nicht ausversehen geraten ist - abgesehen davon, das er auch vorher schon in der SA war, die ja auch nicht wirklich eine rein passive Organisation der Nazis war) gegen die Bergbesteigungen und die Kuschelei mit dem freundlich lächelnden Absolutisten aus Tibet.
Die Blindheit der Medien bei bestimmten Themen ist wirklich erschreckend. Riefenstahl wird ja auch dauernd wegen ihrer "Kunst" bewundert ...
christoph awender Jan. 9, 2006, 2:30 p.m.
Genau das ist das Problem: Georg Bauer schreibt: in die man ja nun wirklich nicht ausversehen geraten ist,
Seriöse ausländische Historiker haben unzweifelsfrei nachgewiesen das in den letzten Monaten des Krieges Schluß war mit der schönen Freiwilligkeit, es wurde einfach bestimmt wer wohin einberufen wird und da konnte sich keiner gegen wehren außer er hatte sich bereits vorher freiwillig zur Luftwaffe oder Wehrmacht gemeldet. Aber welcher 16/17 jährige dachte an so was.
Deswegen ist die deutsche Pauschalisierung ein gefährlicher Weg. Aber egal, die meisten SSer sind heute verstorben und die wenigen verblieben - seien wir mal ehrlich - für die interessiert sich höchstens noch der Sensationsjournalismus. Viele der heute 16/17 jährigen können weder mit dem Begriff SS noch mit dem Begriff VERDI etwas anfangen.
Schönen Gruss Chris
Chris
hugo Jan. 9, 2006, 2:50 p.m.
Anbetracht der Tatsache, das seine SS-Mitgliedschaft ja nicht in den letzten Monaten des Krieges war, und anbetracht der Tatsache, das er schon ab 33 in der SA (bzw. dem Gegenstück in Östereich) war, ist es dann doch eher sehr zweifelhaft, das er da nur aus Versehen oder ohne eigenen Antrieb drin war. Zumal er in der SS den Rang eines Sturmbandführers hatte - die zwangseinberufenen waren aber wohl eher auf untere Ränge beschränkt. Klar, er hat sich ja "nur" um Sport gekümmert. Riefenstahl hat ja auch "nur" Filme gedreht.
Er selber sagt ja, das er dort aus Opportunismus drin war - nur ist die SS oder SA (jaja, angeblich nur eine Lüge zwecks Heiratslegitimisierung) eben nicht ohne das zu bekommen, was sie getan haben. Davor die Augen zu verschliessen ist hochgradig ignorant.
Die Tatsache, das diese Organisationen und ihre Taten heute bei 16/17-Jährigen nicht bekannt sind, ist eher ein trauriges Kapitel unseres Schulsystems. Aber mit Sicherheit kein Grund, über die Mitgliedschaft von Jemandem in einer dieser Organisationen freundlich hinwegzusehen.
Dago Jan. 12, 2006, 8:19 a.m.
Der unlängst verstorbene Leiter des NS-Dokumentationszentrums in Wien, Simon Wiesenthal, erklärte seinerzeit, Harrer sei niemals an NS-Verbrechen beteiligt gewesen. Dennoch erntete Harrer viel Kritik, weil er seine NS-Vergangenheit bis dahin beharrlich verschwiegen hatte. Der Regisseur von "Sieben Jahre in Tibet", Jean-Jacques Annaud, wies im Verlauf der damaligen Debatte darauf hin, dass Harrer dies bereut und sich nach dem Krieg stets für die Menschenrechte eingesetzt habe.
hugo Jan. 12, 2006, 10:38 a.m.
Darum gehts nicht - ob er es bereut hat oder nicht, ist eine Frage die man nur schwer beantworten kann (immerhin hat er es so lange verschwiegen, wie er konnte, und hat sich erst durch den Druck in der Öffentlichkeit dazu geäußert), sondern um die etwas sehr seltsame Sichtweise der Medien auf manche Personen. Ich habe mit dem Hochjubeln von Harrer genauso mein Problem, wie mit den immer wieder auftretenden "Würdigungen" der "Kunst" von Riefenstahl.
Übrigens betrachte ich seinen Einsatz für die "Menschenrechte" eher kritisch: die ganzen Aktivitäten rund um die tibetische "Exil-Regierung" (die übrigens nicht von der tibetischen Bevölkerung gewählt oder bestätigt wurde - auch nicht vor der angeblichen "Vertreibung") zielen darauf ab, diese "Exil-Regierung" als absolutistische Herrscher in Tibet wieder einzusetzen.
Und sorry, aber das Ziel einer absolutistischen Herrschaft ist nicht das, was ich unter Menschenrechte verstehe (mit denen es genau diese im - von Spendengeldern und Esoterikmüll getragenen - Exil sitzenden Menschen nicht gerade sonderlich ernst gemeint haben, als sie selber noch an der Macht waren).
Wer über die tollen Einsätze für Tibet redet, sollte mal fragen, wie viel Geld tatsächlich in Tibet für die Tibeter selber ausgegeben wurde, und wie viel von dem Geld in Indien gelandet ist ...
Zu Harrer selber gibt es eben nicht nur die Mitgliedschaft bei den Nazis als Hinweis auf seine Gesinnung, sondern auch die Wortwahl und Formulierungen seiner Berichte über Tibet und ganz besonders die armen Bevölkerungsteile in Tibet. Auch dazu gibts im Goldner eine Reihe von Quellenangaben und Hinweisen.
Ganz abgesehen davon, das Teile seiner Berichte schlicht falsch sind, wie ihm nachgewiesen wurde (wie z.B. die angebliche Länge seiner Lehr-Tätigkeit für den Dauerlächler). Ein bischen zu oft gemogelt, ein bischen zu oft beschönigt, ein bischen zu oft "kreativ ausgestaltet".
hugo Jan. 20, 2006, 9:18 a.m.
Nochmal für alle Merkbefreiten: es ist mir vollkommen egal was ihr von Harrer haltet und wie ihr ihn seht. Es ist uninteressant für die Aussage oben: das in den Medien - genau wie bei Riefenstahl - die NS-Vergangenheit und sein mehr als zweifelhaftes Tibet-Engagement ausgeblendet wird und nur Lobhudeleien stattfinden. Wer lesen könnte, wäre klar im Vorteil - und würde es sich ersparen, das sein getippter Kommentar schlicht in die Tonne gekloppt wird.
Wer meint einen Nachruf auf Harrer veröffentlichen zu wollen kann sich dazu jederzeit selber ein Blog anlegen.
Nachtrag: und um es für die gänzlich Merkbefreiten nochmal näher auszuführen: Kommentare, die sich nicht auf das Thema beziehen, die irgendwelche Relativierungen von Harrers Verhalten meinen einbringen zu müssen, die meinen mir Zensur, Meinungsfreiheit und andere - in _diesem_ Kontext völlig irrelevante - Themen erläutern zu müssen: nein, das schert mich einen feuchten Furz und das fliegt raus.
Meinungsfreiheit heisst nicht, das ich mir eure Sprüche auf die Klowand schmieren lassen muss - besorgt euch eure eigene Klowand. Gibts kostenlos im Netz, gibt keinen Grund warum das bei mir stehen muss. Und nein, das ist weder Zensur (denn Zensur ist definitorisch an einen Staat oder andere Machtstrukturen gebunden) noch Einschränkung der Meinungsfreiheit (denn eure Meinung wird nicht eingeschränkt - macht euer eigenes Blog auf und schreibt da), sondern schlichtes Hausrecht.
BTW: Kommentare, die wenigstens rudimentär den Ansatz zeigen, das der Autor verstanden hat was ich in dem oben stehenden Artikel kritisiere, haben natürlich durchaus eine Chance freigeschaltet zu werden. Nur scheitern an dieser minimalen Hürde ca. 90% der Kommentare auf dieser Seite ...
Zweiter Nachtrag für die absolut völlig Merkbefreiten, die immer noch nicht kapieren: wenn euer Beitrag sich nicht auf das bezieht, worauf sich mein Posting bezieht - also die Blindheit der Medien bei bestimmten Persönlichkeiten gegenüber deren NS-Vergangenheit - werden eure Kommentare in die Tonne gekloppt. Ganz einfach. Ihr könnt also genausogut gleich die Kommentare weglassen, die werden sowieso nicht veröffentlicht. Muss echt schwer sein eine so simple Regel zu kapieren (gerade durfte ich wieder dreimal Harrer-Lobhudeleien entsorgen - Thema verfehlt, 6, setzen).