... aber mir ist bei solchen Ideen unwohl:
Unternehmen sollen in Zukunft das elektronische Äquivalent einer Briefmarke erwerben, wenn sie sicher sein wollen, dass ihre E-Mail die Empfänger auch erreicht. Gegen Gebühren von bis zu einem Cent pro Nachricht sollen die über den Dienstleister Goodmail Systems verschickten Mails ohne Spam-Filterung weitergeleitet und empfangsbestätigt werden.
Ab wann werden Mails von Privatpersonen nicht mehr zugestellt, ausser sie laufen über einen der grossen Provider, die sich an dem Bezahlsystem beteiligen? Ab wann werden Bürgernetze oder privat betriebene Provider ausgegrenzt, weil sie nicht zum Club der Bezahlenden gehören können?
Die möglicherweise kommende Argumentation ist doch simpel: nur wer für seine Website an eine zentrale Stelle zahlt, wird für den HTTP-Zugriff im Zwangsproxy der grossen Provider freigeschaltet - weil er sonst im Verdacht steht, eine Phishing-Site zu sein. Und schon wäre auch ausserhalb der eMail manche Site einfach nicht mehr existent. Passt doch auch prima zu den Bestrebungen der Telcos und Kabelanbieter in den USA, die ja auch bezahlte Inhalte (also den Telcos bezahlte Inhalte) vorrangig ausliefern wollen.
Abgesehen davon, daß ich definitiv eher meinen eigenen Filtern traue, als Filtern, die gegen Bezahlung von irgendeiner Firma im Netz betrieben wird. Wann wird es den ersten Skandal geben, das sich ein Spammer Zugang gekauft hat? Mein statistischer Spamfilter bei mir auf dem Server ist nicht bestechlich - zwar nicht perfekt, aber eben auch nicht bestechlich.
Im Aufbau von weiteren zentralen Filtern und Kontrollstellen jedenfalls sehe ich eine echte Gefahr für die Struktur des Internet - wie schnell Firmen gekauft werden, konnte man ja in der letzten Zeit sehen. Und selbst wenn eine Firma Yahoo heute möglicherweise - aufgrund der für sie nötigen Positionierung gegen Google - ein bischen auf Schmusekurs mit dem Benutzer macht, wer garantiert, das sich kein Mediengigant das ganze unter den Nagel reisst? Nicht jeder ist so unfähig wie Time Warner ...
Roger Wilco Feb. 6, 2006, 8:58 p.m.
Dieser Vorschlag ist doch schon seit Jahren auf dem Tisch* und wird sich, wie schon die vergangenen Jahre, nicht durchsetzen. E-Mail ist dezentral, d. h. entweder müssten *alle* Mailserverbetreiber da mitmachen oder es klappt nicht. Man muß sich nur mal die Schadensersatzforderungen an Yahoo und AOL vorstellen, weil eine "wichtige" Mail von einem Geschäftspartner nicht zugestellt wurde. Gerade in den USA sollte es streßfrei möglich sein, die Unternehmen damit finanziell komplett zu ruinieren.
Wieso die Netzeitung das gerade jetzt wieder auskramt...Ist schon wieder Sommerloch?
*: Hat nicht Bill Gates etwas derartiges vor 4 oder 5 Jahren vorgeschlagen und wurde daraufhin übelst ausgelacht?
hugo Feb. 6, 2006, 9:27 p.m.
Nö, das ist jetzt neu - und vor allem deshalb kritisch, weil zwei grosse Mailhosts damit antreten. Hat nix mit dem von MS zu tun - das ist ein neuer Ansatz (einer allerdings durchaus älteren Idee).
Das besondere an der Idee ist ja gerade, das die grossen Mailhosts dabei sind - und was sie sagen ist ja recht simpel: zahlt und verpflichtet euch, dann kommt eure Mail an. Sie verkaufen im Prinzip das Abschalten des Spamfilters für einzelne Absender-Empfänger-Paare.
Das Nicht-Zustellen ist garnicht Bestandteil der ganzen Geschichte - nur das Zusichern des Nicht-Filterns. Und aus genau dem Grund könnte das ganze durchaus Akzeptanz finden. Und damit beginnen dann die Probleme.
Das ganze ist übrigens nicht nur in der Netzzeitung gewesen - ich hab einfach nur den Beitrag rausgegriffen, weil es einer der ersten deutschsprachigen Artikel darüber ist. Das kursiert schon seit ein paar Tagen durch die verschiedensten Quellen.