Mitlerweile ist ja klar das der von der britischen Polizei Erschossene unschuldig war. Und trotzdem: Scotland Yard verteidigt Kopfschuss-Praxis. Der frühere Scotland Yard Leiter:
"Es gibt nur einen sicheren Weg, einen Selbstmordattentäter zu stoppen, der davon überzeugt ist, seine Mission auszuüben - sein Gehirn sofort zu zerstören, vollständig", schrieb er in der Sonntagszeitung "News of the World". "Das heißt, ihn mit zerstörerischer Wucht in den Kopf zu schießen, ihn sofort zu töten."
Man muss dabei bedenken, das waren Polizisten in Zivil - eine Panikreaktion wenn eine Gruppe bewaffneter Menschen in Zivilkleidung hinter einem her sind ist ja wohl vorprogrammiert. Das dann als Begründung für einen gezielten Kopfschuss zu nehmen ist mehr als nur Zynismus.
Hinrichtungen auf Verdacht als Antwort auf Terror - damit wird der angebliche Schutz der Gesellschaft selber zum Terror und zur Gefahr für jeden Bürger. Die Unmenschlichkeit der Polizei-Vertreter in der Verteidigung dieser Praxis - Police chief 'sorry' over death - ist einfach nur abstoßend.
HB July 25, 2005, 12:30 p.m.
Ich würde sagen, daß Du Dir die Sache um einiges zu einfach machst.
Man muß bedenken, daß war ein Mann, der mehrfache Aufforderungen der Polizeibeamten, stehen zu bleiben, nicht befolgte und kurz nach den schlimmsten terroristischen Anschlägen des Landes meinte, er müßte sich auf ein Wettlaufen mit der Polizei in Richtung U-Bahn-Zug einlassen.
Welche Vorschläge zum Verhalten der Polizei hast Du denn, wenn denen das nächste Mal ein mutmaßlicher oder tatsächlicher Suizidattentäter über den Weg läuft?
Das soll nicht heißen, daß ich mir sicher bin, was das angemessene Verhalten in so einer Situation ist, oder ob das Verhalten der Londoner Polizisten angemessen war.
Gruß HB
hugo July 25, 2005, 5:44 p.m.
Jau, genau, ein Mann mit leicht verdächtigem Aussehen - hey, der war nicht mal Moslem, sondern Brasilianer - wird von einem Rudel von Zivilisten mit Waffen angegangen. Für wie warscheinlich hälst du es das der ganz ruhig und sachlich reagiert? Ganz besonders in der Situation in der London war? Klar, genau, der wird auf keinen Fall weglaufen. Klar, der Kopfschuss ist dann da ganz angebracht. Knallen wir einfach alle verdächtig aussehenden Menschen ab, dann wirds gleich viel sicherer.
Sorry, aber ich kanns echt nicht mehr hören dieses ganze Gesülze über den finalen Kopfschuss und ähnliche Nettigkeiten (die Berliner Spacken wollen jetzt Flugzeuge über einem dicht besiedelten Gebiet abknallen - auch so eine tolle Idee). Wenn man mit einem Rudel von Polizisten einen Mann stoppen will kann man das sicherlich auch anders machen - stunning (über elektrische Schläge oder Betäubungswaffen) ist ja nix neues und hat wenigstens den Vorteil das das Opfer zwar ausgeschaltet wird, aber noch Überlebenschancen hat.
Deine Argumentation würde tatsächlich dazu führen das vermehrt Menschen erschossen werden die einfach nur in Panik geraten oder sonstwie auffällig werden - eine Konsequenz die übrigens der britische Polizeischeff ganz bewusst als Möglichkeit in den Raum gestellt hat als er davon sprach das auch in Zukunft durchaus weitere Unschuldige getötet werden könnten. Genau _das_ ist es was mich auf die Palme bringt. Denn so wird die Bevölkerung letzten Endes mehr durch die Sicherheitsvorkehrungen bedroht als durch die Terroristen. Und das ist hochgradiger Schwachsinn.
Einfach macht man sich die Sache wenn man einfach Leute die weglaufen abknallt.
HB July 26, 2005, 12:22 p.m.
Da ich keine Erfahrungen mit Stunnern o.ä. habe, kann ich die Wirksamkeit dieser Dinger nicht selber beurteilen. Die Londoner Polizei (und die israelischen Sicherheitsleute) behaupten allerdings, daß das nicht ausreicht, daß eine Chance zum Überleben für den Selbstmordattentäter auch eine Chance, seine Bombe zu zünden, bedeutet. Natürlich muß man aufpassen, daß die Bevölkerung nicht stärker durch Sicherheitsvorkehrungen als durch Anschläge bedroht wird. Aber die Drohung eines Anschlags durch Selbstmordattentäter ist ziemlich happig, da muß der Staat schon ziemlich vom Leder ziehen, bis die Kosten (im Sinne von Gefahren/Verlust von Freiheiten für die Bevölkerung) der Sicherheitsvorkehrungen (solange diese wirksam sind) die Kosten der Anschläge übertreffen. Blöde wird's natürlich nur, wenn die Sicherheitsvorkehrungen eine Gefahr darstellen, ohne die Sicherheit zu verbessern. (Das ist bei den allermeisten Vorschlägen der schwarzen Schockwellenreiter zu Wahlkampfzeiten der Fall.) Solche Kosten/Nutzen-Rechnungen sind natürlich extrem zynisch, aber sie sind anscheinend notwendig. Wenn das Vorgehen der Polizei dazu führt, daß man pro verhindertem Selbstmordattentat zehn Unschuldige über den Haufen schießt, dann lohnt das nicht, das umgekehrte Zahlenverhältnis muß man wohl anders beurteilen. Es kann natürlich sein, daß das spezielle Vorgehen der Londoner Polizei eher für zehn Unschuldige gegen ein verhindertes Attentat spricht. Aber leider muß diese Rechnung muß gemacht werden. Willkommen in der schönen neuen Welt des Islamischen Terrorismus! Und diese schöne neue Welt wird uns nicht von den Sicherheitsbehörden aufgezwungen (auch wenn die Üblichen Verdächtigen sie nach Kräften ausnutzen, was an sich auch eine Schweinerei allerersten Ranges ist). Es spricht auch einiges dafür, daß sich die Briten das ganze ziemlich leicht machen. Aber ein Teil der oben genannten Kosten der Sicherheitsvorkehrungen ist eben auch, daß man sich es zweimal überlegen sollte, in einer U-Bahn-Station vor einer Gruppe wegzulaufen, die Polizei schreit.
Zusammengefaßt würde ich sagen, es spricht zwar einiges dafür, daß die Londoner Polizei vorschnell und falsch gehandelt hat und dabei einen unschuldigen Menschen tötete. Sicher ist das aber noch nicht. Allerdings muß man inzwischen leider Gottes über das gezielte Töten von Verdächtigen nachdenken, das kann nicht so einfach so vom Tisch wischen, und daß man darüber nachdenken muß, das liegt ganz klar an den Terroristen.
Gruß HB
P.S.
Allerdings gehe ich davon aus, daß das gezielte Todschießen mutmaßlicher Selbstmordattentäter sich erledigt, sobald diese Selbstmordattentäter ihren Kosmos Elektrobaukasten und den Polar Pulsmesser rausholen und sich eine Totmannschaltung basteln. Dann geht eigene Bombe nämlich auch dann hoch, nachdem man erschossen wurde, und so eine Bastelarbeit sollte jemand, der eine größere Bombe bauen kann, auch hinkriegen.
hugo July 26, 2005, 12:53 p.m.
Genau das Problem mit der Totmannschaltung ist es aber der diese Hinrichtungen ad absurdum führt - und die generelle Bereitschaft bei _Verdacht_ lieber Unschuldige zu erschiessen ist eben sehr problematisch: ein Verdacht ist keine Sicherheit. Ich hab kein Problem damit wenn jemand mit einem Bombengürtel da steht und droht das zu zünden und dieser dann zum Schutz der umgebenden Menschen getötet wird - das ist Notwehr. Aber genau in dem obigen Fall ging es nicht um Notwehr. Es ging nur um jemanden der weggelaufen ist - kein Angriff, keine Drohungen, nur einfach Flucht. Eine ganz normale Panikreaktion. Es gab auch keine vorherige Personenprüfung - es war also nicht ein bekannter oder vermuteter Terrorist - sondern es war eine unbekannte Person die einfach nur jemandem aufgefallen ist. Die Polizei die den Zugriff gemacht hat war auch nicht in Uniform - sie war in Zivil. "Polizei" schreien kann jeder. Klar wärs für das Opfer besser gewesen stehen zu bleiben, aber geschossen haben nunmal die Polizisten - in einer Situation ohne jegliche Absicherung des Verdachtes. Und da liegt das Problem.
Bei der Tagesschau ist eine Betrachtung wie die Situation in Deutschland aussieht - deckt sich in etwa mit dem was ich oben geschrieben habe. Verdacht alleine reicht nicht.