Was Firmenchefs heute so lernen ...

... enthält nichts zum Betriebsverfassungsgesetz

Tragende Säulen des Unternehmens seien "Gerechtigkeit, Offenheit und gesunder Menschenverstand", nicht das Betriebsverfassungsgesetz. "Bei allem Respekt vor dem Schutz der Minderheiten" verstehe er den "Gesetzgeber nicht, wenn eine neunprozentige Mehrheit den anderen die Bedingungen diktieren kann", schrieb Plattner. Rund 91 Prozent der Belegschaft in der SAP-Zentrale Walldorf hatten sich gegen einen Betriebsrat ausgesprochen.

Erstmal an Heise: das waren 91% der an der Wahl teilnehmenden Mitarbeiter. Das ist deutlich weniger als 91% der Belegschaft, auch in der Zentrale. Aber egal. Denn der wirkliche Hammer ist, das der Firmenmitgründer und derzeitige Aufsichtsratsvorsitzende tatsächlich glaubt, das Betriebsverfassungsgesetz sei nicht Grundlage seines Unternehmens. Träumer. Komischerweise steht das im Gesetzbuch, Herr Plattner. Wie blöd muss man eigentlich als Firmenchef sein, um sowas selten dummes abzulassen? Naja, wird wohl die neue Maßeinheit für Firmenchefdummheit: ein Plattner = ignorieren eines kompletten Satzes von Gesetzen ...

Laut Spiegel will der Konzern nun einen eigenen Wahlvorstand für die Betriebsratswahlen vorschlagen, der höchstwahrscheinlich aus Arbeitnehmervertretern des Aufsichtsrates bestehe und nicht aus jenen Kollegen, die mit Unterstützung der IG Metall den Betriebsrat durchsetzen wollten. Das Unternehmen käme damit dem Arbeitsgericht zuvor, das einen Wahlvorstand einsetzen könnte.

Oh, und der Wahlvorstand gibt mit nichten irgendwas vor - und hat auch nix mit Schutz von Minderheiten zu tun. Der Wahlvorstand sorgt einfach nur für die ordnungsgemäße Abwicklung von Betriebsratswahlen, mehr nicht. Und ob ein von einer dermaßen dummen Firmenleitung eingesetzter Wahlvorstand dazu in der Lage ist, wage ich mal zu bezweifeln.

Vielleicht wärs jetzt an der Zeit, das die Firmenleitung einfach mal kapiert, was Betriebsratswahlen sind: die Wahl einer Mitarbeitervertretung durch alle Mitarbeiter eines Unternehmens. Egal wie wenige der Anlass für die Wahl sind, jeder Mitarbeiter (ok, ein paar Ausnahmen bei AT-Verträgen gibts) darf wählen, und fast jeder darf sich zur Wahl stellen (noch ein paar wenige Ausnahmen mehr gegenüber dem aktiven Wahlrecht - leitende Angestellte sind ausgenommen vom passiven Wahlrecht). Und ja, das bedeutet in der Regel bei Unternehmen mit entsprechender Größe, das mehrere Listen zur Wahl stehen - in der Regel eine der Gewerkschaft (bzw. korrekterweise eine Liste der gewerkschaftlich organisierten Mitarbeiter) und oft eine Liste von Linientreuen. Wobei dem da keine Grenze gesetzt ist - wie wärs mal mit einer Liste der im Betrieb arbeitenden Frauen? Das könnte sicherlich auch für eine SAP interessant sein. Oder eine Liste der jungen Mitarbeiter. Oder einfach nur eine Liste derer, die keinen Bock auf Betriebsrat haben, selbst das wäre völlig legal.

Aber um das zu begreifen müssten die Leute bei SAP ja sich mal die Mühe machen und das Betriebsverfassungsgesetz zu lesen. Kann man von solchen Dummbatzen aber wohl nicht erwarten, statt dessen entblöden sie sich lieber öffentlich ...

tags: Bananenrepublik, Wirtschaft