Was man so mit Arbeitslosen machen kann

Zeigt sich derzeit in Mainz: Mützen auf und durch:

In der Tatsache, daß die neuen Servicekräfte der MVG auch noch eine gelbe Mütze und ein Namensschild tragen sollen, sieht er eine Diskriminierung der Betroffenen, die sich ohnehin in einer Notlage befänden und dann noch gezwungen seien, sich entsprechend öffentlich als Hartz-IV-Opfer zu »outen«.

Es werden also erstmal Menschen zu einer Arbeit gezwungen. Diese Arbeit besteht darin, Service zu bieten - was eigentlich eine normale Aufgabe für die Verkehrsbetriebe wäre und mit normalen Arbeitskräften abgewickelt werden müsste. Es ist also definitiv Konkurrenz zum normalen Arbeitsmarkt, was mit Ein-Euro-Kräften ja eigentlich verboten sein soll. Und dann kriegen diese Kräfte auch noch einen optischen Stempel aufgedrückt, damit sie weithin sichtbar sind. Denken manche Leute auch ab und an mal nach, was sie da treiben?

Mit der sichtbaren Kennzeichnung von Menschen die als "minderwertig" angesehen werden hatte Deutschland ja schon mal Erfahrungen gemacht ...

tags: Bananenrepublik, Politik

Torsten Jan. 13, 2006, 9:48 a.m.

Ähhhm - fast jede Servicekraft muss irgendeine optische Kennzeichnung tragen. Der Kunde will ja wissen, dass er es mit einem Mitarbeiter zu tun hat. Es wäre höchst unpraktisch jede Person in einem Kaufhaus ansprechen zu müssen, um den Fachverkäufer zu finden. Daraus eine "Entwürdigung" zu konstruieren zeugt eher von einer Entfremdung vom Arbeitsmarkt.

hugo Jan. 13, 2006, 11:27 a.m.

Ach ja - wie viele Servicekräfte kennst du noch, die ausschließlich aus Hartz-IV-Empfängern bestückt werden und dann mit Kennzeichnung und Namensschild an den Pranger gestellt werden? Der Betreiber selber hat ja zugegeben, das zwar alle Mitarbeiter der Verkehrsbetriebe Uniform tragen, aber nur diese Gruppe von Servicekräften eine gelbe Mütze tragen.

Das Problem nicht zu sehen zeugt von einer Entfremdung von der Gesellschaft.

Torsten Jan. 13, 2006, 2:42 p.m.

Du musst Dich schon entscheiden: Wenn es Leute sind, die neben normalen Arbeitskräften in gleicher Uniform arbeiten, dann ist die Arbeit für Hartz-IV-Empfänger wahrscheinlich nicht zulässig, da es sich offensichtlich um den normalen Arbeitsmarkt handelt.

Wenn ein Zusatz-Service geschaffen wird, den die Verkehrsbetriebe sonst nicht anbieten und die Leute im Kundenverkehr tätig sind, sind die Betroffenen zu erkennen - mit oder ohne gelbe Mütze.

Falls es Dir nicht aufgefallen ist: im öffentlichen Nahverkehr ist das Outsourcing schon fortgeschritten - Kontrolldienste werden schon seit Jahren von externen Dienstleistern übernommen. Und auch die tragen andere Berufskleidung als die Beschäftigten der Verkehrsbetriebe.

Ich bin kein Fan von Hartz IV, ich erwarte keine Arbeitsplatzrevolution, aber ein wenig realistisch sollte man sein: Dass man Hartz-IV-Empfänger mit dem richtigen Hintergrundwissen erkennen kann, ist schlichtweg nicht zu vermeiden.

hugo Jan. 13, 2006, 3:34 p.m.

Sorry, aber mir scheint, du hast den verlinkten Artikel entweder nicht gelesen, oder nicht verstanden.

Hartz-IV-Empfänger können sich den Job, den sie bekommen, nicht aussuchen - die Teilnahme am 1-Euro-Job ist Pflicht, Ablehnung wird mit Kürzung des ohnehin schon knappen Hartz-IV-Geldes bestraft.

Zusätzlich ist diese Maßnahme zwangsweise eben eine, in der es keine normalen Mitarbeiter geben darf - denn dann wäre es ja illegal, die Hartz-IV-Empfänger einzusetzen. Verwechslungen sind sozusagen ausgeschlossen.

Zusätzlich werden diese Mitarbeiter - anders als andere Mitarbeiter des Verkehrsbetriebes - gesondert gekennzeichnet. Und mit Namensschildchen versehen.

Und du siehst da keine Probleme? Reichlich albern. Oder weltfremd.

Klar, in vielen Bereichen tragen die Mitarbeiter Uniformen oder Berufskleidung und sind zu erkennen. Aber a) sind sie in der Regel mehr oder weniger freiwillig (auf jeden Fall nicht zwangsweise) in dem Job und b) tragen mitnichten alle diese Menschen noch zu ihrer Kennzeichnung ein Namenschild.

Übrigens sind auch die Servicekräfte in den Bereichen in denen Outsourcing stattgefunden hat oft normale Mitarbeiter eines Unternehmens. Von daher ist der Einsatz von Hartz-IV-Empfängern - wie in fast allen bisher bekannt gewordenen Formen - ziemlich fragwürdig, denn damit stehen sie definitiv in Konkurrenz zum normalen ersten Arbeitsmarkt.

Torsten Jan. 13, 2006, 5:09 p.m.

Ähm - ich lebe in Köln, wo lebst Du? Bei uns sind Namensschildchen im Kundenbereich nichts Ungewöhnliches oder Verwerfliches. Die Straßenbahnfahrer tragen keine, da sie nichts mit den Kunden zu tun haben, im KVB-Kundencenter gibt es aber welche. Am Banktresen stehen auch Namensschilder. Bei MacDonalds hängen sogar Bilder der Mitarbeiter an der Wand. Die Stadtsparkasse stellt kleine Namensschildchen auf die Tresen, AFAIK kann ich auch meinen Kundenberater bei der Bahn mit Namen ansprechen. Und Polizisten haben sogar Aufnäher mit ihren Namen.

Im Weiteren empfehle ich Dir selbst die Lektüre des Artikels. "Diese freundlichen Helfer sollen, so die MVG, als Ein Euro-Jobber vor allem älteren und behinderten Kunden, Fahrgästen mit Kinderwagen, Koffern oder schweren Taschen mehr Service bieten". Wie erkennt die ältere Frau die freundliche Servicekraft, die ihr helfen kann, wenns denn nötig ist?

Natürlich könnte man für jede Tätigkeit eines Ein-Euro-Jobbers Fachpersonal einsetzen. Wer das als Ausschlusskriterium nimmt, hat das Prinzip nicht wirklich verstanden. Diese "Mobiltätshilfe" gab es vorher nicht auf dem Arbeitsmarkt und wird es nach Ende des Programms wohl auch nicht mehr geben, IIRC sind fünf Jahre die Höchstdauer für ein solches Ein-Euro-Projekt.

hugo Jan. 13, 2006, 5:28 p.m.

Du kapierst es immer noch nicht: der Schaffner, der Bänker, der Polizist, der McD-Mitarbeiter - die alle machen den Job freiwillig. Sie mögen wirtschaftliche Zwänge habe, warum sie es machen, aber sie machen es aus eigener Entscheidung.

Die Hartz-IV-Empfänger machen es nicht freiwillig. Sie dabei dann auch noch speziell zu kennzeichnen und dann noch namentlich bekanntzugeben ist schlichtweg daneben. Es würde völlig reichen ein neutrales "Service" (wie es in der Regel auch andere Servicekräfte in öffentlichen Verkehrsbetrieben haben, weshalb man eben nicht zwingend auf Hartz-IV-Empfänger schliessen muss) an der Berufskleidung zu tragen. Oder kannst du mir einen zwingenden Grund nennen, warum man eine Mobilitätshilfe per Namen ansprechen können muss?

Übrigens gab es durchaus die "Mobilitätshilfe" und den Service - bevor die Verkehrsbetriebe angefangen haben, das Personal an den Bahnhöfen zu reduzieren.

Und was das Verstehen der Ein-Euro-Jobs angeht: das Berlin das Personal in den öffentlichen Bibliotheken erst reduziert hat, dann aber mit Ein-Euro-Kräften die liegenbleibende Arbeit (Bücher einsortieren etc.) erledigen will, ist warscheinlich auch nur von mir falsch verstanden worden und gar kein falscher Einsatz der Hartz-IV-Empfänger und sicherlich auch keine Gefahr für den ersten Arbeitsmarkt. Die Bibliothsmitarbeiter, die lange genug arbeitslos bleiben, können dann ja wenigstens drauf hoffen später für einen Euro ihre alte Arbeit zu machen ...

Aber was solls, alle die sich darüber aufregen - in der Presse, bei der Gewerkschaft, bei den Interessensvertretungen der Arbeitslosen, teilweise bei Politikern - haben ja nur alles nicht verstanden. Man kann sich sein Leben mit rosa Scheuklappen auch schön einrichten, mir stinkt allerdings der Farbton ...

Torsten Jan. 13, 2006, 5:49 p.m.

Dinge wie Namensschilder und Mützen gehören zur Arbeit, genug Beispiele habe ich gegeben. Du kannst gerne der Meinung sein, dass es Unrecht ist, Leistungsempfänger zum Arbeiten zu verpflichten. Dass sie dafür arbeitstypische Nachteile hinnehmen müssen, ist jedoch kein separater Kritikpunkt oder gar entwürdigend.

Wenn Servicekräfte abgebaut werden und durch 1-Euro-Kräfte ersetzt werden, ist das natürlich ein Verstoß gegen die Vergabeprinzipien und darf nicht gefördert werden. Diese Information fehlt aber in Artikel und Blogbeitrag, da hier nur ganz allgemeiner Stellenabbau erwähnt wird. Dass Leute im Nahverkehr beim Koffertragen helfen, habe ich jedenfalls noch nie gesehen oder gehört.

hugo Jan. 13, 2006, 6:06 p.m.

Kofferträger gibt es auf jedem anständigen grösseren Bahnhof. Ich meine sogar in Köln sowas schon gesehen zu haben. Und es besteht ein massiver Unterschied zwischen den folgenden zwei Aussagen:

"Hein Blöd ist der nette Bankangestellt, den ich jetzt um einen Kredit angehe"

"Hein Blöd ist ein Lanzeitarbeitsloser, den man zur Arbeit zwingen muss"

Wenn du nicht in der Lage bist zu erkennen wo der Unterschied steckt - und auch nicht in der Lage bist zu erkennen wie die im Artikel beschriebene Situation zu genau dieser zweiten Aussage führt, dann tuts mir leid, aber das ist dann ganz alleine dein eigenes Problem. Die Sitzung hier ist jedenfalls beendet - such dir dein eigenes Sofa.

Tinschen Jan. 26, 2006, 4:16 p.m.

Hallo,
ich finde es ist eine traurige, erschreckende Entwicklung.
Ich bin absolut dagegen Hartz 4 Empfänger öffentlich an den Pranger zu stellen. Und genau das wird mit gelben Mützen getan...
Stellt euch vor ihr lauft durch irgendeine Großstadt und ihr wisst genau jeder hier der eine gelbe Mütze anhat ist ein Hartz 4 Empfänger.
Ich finde Deutschland hat ein Mal den Fehler gemacht eine Gruppe von Menschen öffentlich und unfreiwillig so zu kennzeichnen.
Es gibt noch nicht mal Schuluniformen in Deutschland aber "uniformen" für Hartz 4 Empfänger soll es geben.
Armes Deutschland







global April 5, 2006, 10:25 a.m.

Die, die es verdienen an den Pranger gestellt zu werden haben die Macht. Sie werden es zu verhindern wissen das die Masse in Deutschland nicht zu mobilisieren ist "da müsste noch viel mehr passieren".

Bullock Oct. 14, 2006, 9:42 a.m.

Ich muss mich doch ernsthaft fragen wer eigendlich zu Hartz-IV missbrauch neigt. Ein-Euro-Jobs waren da um wenn Spitzenarbeitskräfte benötigt werden diese Kurzfristig und nicht auf dauer zu stellen und wenn diese Spitzenarbeitskräfte dauerhaft gebraucht werden sollten diese eingestellt werden, dies hat jedoch nicht geklapt und nun liegt hier der missbrauch von Ein-Euro-Jobs vor, regoläre Arbeitsplätze entstehen so nicht. Man lönnte alternativ ALGII-Empfänger gezielt aus dem Leistungsbezug drängen oder dauerhaft arbeitsunfähig krank machen um die Situation für die Haushaltskasse zu verbessern oder diese dauerhaft in Arbeit die andere nicht machen abdrängen jedoch bleibt das Problem der Arbeitsmarktsituation bestehen und könnte sich noch verschärfen während andere zur Verbesserung Ihrer Aktienkurse unter Kongurenzdruck Personalkosten sparen die unser Sozialsystem nicht subventionieren kann. Andererseits wird der Wirtschaftsstandort unatraktiv wenn hier zu offensichtlich etwas geändert wird. Also ist es einfacher mit der Haushaltsverschuldung das Sozialsystem zu belasten in dem wegen der Arbeitsmarktsituation zu viele Leute Leistungen beziehen. So wie es aussieht war das oben beschriebene noch garnichts und die Leistungsbezieher werden noch gründlich abgesägt.

paule Jan. 5, 2007, 1:10 p.m.

Als ALG II Empfänger im Alter von 48 Jahren mit 30 Arbeitsjahren, der schon eine Ich AG versucht hat bei der nur seine Ersparnisse verbraucht wurden, sage ich allen Unwissenden und Möchtegern-Mitrednern :Kein Arbeitsplatz ist sicher.Sollten sie einen sicheren Arbeitsplatz besitzen, freuen sie sich und sparen sie uns unqualifizierte Aüsserungen die man hier oder anders wo im Internet findet. Es ist schlimm genug dass man Arbeitssuchenden,das sind die meisten der sog. Hartz4ler, ein gelbes Hütchen aufsetzt um auf die Kinder anderer Leute aufzupassen. Ich wünsche keinem, auch nicht dem dümmsten Klugscheisser diese tägliche unfreiwillige Herabwürdigung seiner Person.