Europäisches Schulterklopfen auf Kosten der Bürgerrechte

EU-Parlamentarier rechtfertigen massive Telekommunikationsüberwachung - und können vor lauter Stolz über ihre eigene tolle Leistung kaum ihre Füsse sehen. Nur komisch, das dann immer wieder Kritiker sowas abgeben:

Den Elmshorner Juristen Patrick Breyer, einen der Köpfe der Bürgerrechtsbewegung gegen die Vorratsdatenspeicherung, stellen die Rechtfertigungen nicht zufrieden. Er bezeichnet die vom Parlament erreichten Einschränkungen für "wertlos". Über den Rückgriff auf eine andere Datenschutzrichtlinie dürften die gespeicherten Informationen sehr wohl für andere Zwecke wie Spionage durch Geheimdienste, ungezielte Suche nach Straftaten oder Marketing freigegeben werden, begründet er seine Ansicht. Nachweise dafür, dass durch den Rückgriff auf teilweise schon gespeicherte Verkehrsdaten die Kriminalitätsrate gesunken sei, gebe es nicht. Insgesamt stelle die Richtlinie eine "gravierende Verschlechterung gegenüber der jetzigen Rechtslage" dar.

Aber natürlich sehen wir das sicherlich alle falsch, denn schliesslich:

Reul betrachtet derweil mit dem abgenickten Gesetzesentwurf alle Bedenken der Bürger vor einer langen und untransparenten Vorhaltung ihrer persönlichen Daten für "ausgeräumt".

Also wenn die das als ausgeräumt sieht, dann dürfen wir ja garnicht mehr widersprechen. Wozu wählt man das Pack eigentlich, wenn es einem dann in den Rücken fällt? Putzig auch die wirklich informierten Vergleiche:

Gebhardt begründet die Zustimmung zur pauschalen Überwachung zudem mit zwei Vergleichen: So gebe jeder, der heute einen Brief verschicke, damit auch die dazu gehörenden "Verkehrsdaten" in Form von Absender und Empfänger etwa an den Postboten preis. Jeder Autofahrer müsse sich ferner bewusst sein, dass seine Fahrzeughalterdaten immer schon gespeichert und etwa beim Blitzen an einer roten Ampel ermittelt und für eine Untersuchung herangezogen werden dürften. Dies seien "ausschließlich rechtsstaatliche Praktiken", derer sich die Behörden auch bei der Vorratsdatenspeicherung bedienen würden.

Soso. Also wenn ich das mal auf einen realistischen Vergleich bringen würde: jede Bewegung des Fahrzeuges wird am Startort und Ankunftsort registriert und gespeichert. Jedes Gespräch in der Kneipe wird bezüglich der beteiligten Personen notiert. Jeder Brief wird zentral in einer Datenbank bezüglich Absender und Empfänger gespeichert. Und die Zugriffe können - vorausgesetzt halbwegs zielgeführte Argumentation der Behörden - für fast jeden Zweck erfolgen. Ohne richterlichen Beschluss. Und die Daten müssen auf zwei Jahre aufgehoben werden - ohne Verdachtsmomente.

Komischerweise ist das in der Realität nicht mal mit den Briefen so. Ja, das Postgeheimnis kann per richterlichen Beschluss aufgehoben werden - aber trotzdem gibts da keine zwei Jahre lange Historie, die nur auf Verdacht aufgenommen wird. Bei Fahrzeugen wird zwar der Halter festgehalten - und bei Verstößen auch entsprechend notiert - aber nicht zwingend auf zwei Jahre für fast jede Behörde zugänglich gespeichert. Und es werden eben nur die Verstöße gespeichert - aber nicht jede Bewegung.

Die Internet-Verbindungs-Daten gehen weit über das hinaus, was mit normalen Abhörerlaubnissen verbunden sind. Filesharing-Clients bauen unter Umständen Verbindungen zu x-beliebigen Rechnern auf - mit denen der Besitzer teilweise nichts zu tun hat. eMail-Kommunikationen, die nur auf Absender und Empfänger aufbauen, können von Spam oft nicht unterschieden werden - Viren und Spam fälscht aber nunmal Adressen, weshalb in diesen Datensümpfen Müll ohne Ende stehen wird.

Übrigens fallen auch bei keiner der bisherigen Datensammelanfälle dermaßen gigantische Datenmengen voller Schrott an, wie bei dem jetzt beschlossenen Angriff auf die Privatsphäre.

Und vor allem: wer schützt den Bürger vor der Fehlinterpretation dieser Datensümpfe?

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